Das Leben des possierlichen Webdesigners
Der Beruf des Webdesigners ist so vielseitig wie die Artenvielfalt im Tierreich. Heutzutage gibt es für jede Aufgabe und jede Branche einen Spezialisten. Begeben wir uns auf Spurensuche ...


Ein Webdesigner ist viel mehr als nur ein „Seitenbauer“
Ein Platz für Webdesigner
Ich erinnere mich gerne an die Fernsehserie „Ein Platz für Tiere“. Dort leitete Professor Grzimek die Sendung immer gerne wie folgt ein: „Guten Abend meine lieben Freunde. Heute hat mich aus dem Zoo folgendes Tier begleitet.“ Er verwendete oft den Begriff „possierlich“ für alle Arten von Tieren.
Und an dieses Wort muss ich immer denken, wenn ich jemanden erkläre, was ein Webdesigner ist und was er so macht. Halt das gemeine Leben des … possierlichen Webdesigners:
Der Webdesigner rottet sich oft zu Gruppen unterschiedlichster Größen zusammen, den sogenannten Agenturen. Hier geht er oft Symbiosen z.B. mit Programmierern, Marketing-Menschen, Fotografen und Textern ein, um gemeinsam an großen Kundenprojekten zu arbeiten.
Ihn gibt es aber auch als Einzelgänger, der sich allein durch die raue Web-Wildnis kämpft. Immer auf der Suche nach einem Beute-Kunden, der ihn für längere Zeit die benötigte Geldnahrung liefert. Sie führen oft ein karges Leben voller Entbehrungen. Sie passen sich aber immer perfekt den örtlichen Gegebenheiten ihrer Umgebung an. Trotzdem sind die meisten Webdesigner gesellige Menschen, die gerne den Kontakt zu Artgenossen aufnehmen und sich mit ihnen austauschen …


Die Aufgaben eines Webdesigners
Da ist es nicht mit einem fünfminütigem Gespräch getan. Manchmal ist es wochenlange akribische Arbeit, bevor auch nur der erste Code geschrieben wird. Oft wissen die Kunden selbst nicht, was sie genau wollen und was alles nötig ist, um eine professionelle Website online zu stellen. Ich sehe mich in solchen Fällen als Unterstützer, als neuer engagierter Mitarbeiter des Kunden.
Was gehört noch zur Arbeit eines Webdesigners? Wie der Name es schon beinhaltet: Er designt, gestaltet Webseiten, die optisch den Inhalt unterstützen und ergänzen. Das Design sollte nicht nur schön anzusehen sein, sondern einen Zweck erfüllen.
Der Webdesigner kennt sich mit Schriften (Typografie) und Farbenlehre aus. Ihm sollte zumindest klar sein, dass zu einem modernen Design keine Sütterlinschrift gehört oder Neonfarben nicht gerade der Standard heutzutage sind – es sei denn, der Kunde steht auf 80er-Jahrestyle.
Auch Fotobearbeitung sollte kein Fremdwort für den Webdesigner sein. Er weiß genau, wie er Fotos für das Web bearbeitet, zuschneidet, Farbkorrekturen durchführt, die Dateigrößen optimiert usw.
Und, das finde ich ganz wichtig, er sollte in der Lage sein, einigermaßen fehlerfrei zu schreiben bzw. einen vorhandenen Text auf richtige Grammatik zu prüfen. Was nützt dem Kunden eine wunderschöne, benutzerfreundliche Website, wenn die Texte voller Rechtschreibfehler sind?
Fehlerfreier Content ist ein Qualitätsmerkmal!
Was sollte ein Webdesigner technisch drauf haben?
HTML und CSS sind ein Muss, PHP und Javascript ein Nice-to-have, und alle weiteren Programmierkenntnisse einen Applaus wert. Webdesigner, die mehrere Programmiersprachen beherrschen, sind sehr dünn gesät. Für mich geht das auch mehr in Richtung Programmierer.
Ich bin in verschiedenen Foren und Gruppen vertreten, die sich mit Webdesign beschäftigen. Schreibe in einer solchen Gruppe einmal rein, dass Du einen Pagebuilder benutzt, um Kundenseiten zu erstellen. Du glaubst gar nicht, wie schnell Du eine feurige Diskussion entfachst. Es geht relativ schnell auch mal unter die berühmte Gürtellinie.
Auf der einen Seite finden wir die Verfechter der per Hand geschriebenen – gecodeten – Website. Pagebuilder und sonstige Hilfstools meiden sie wie der Teufel das Weihwasser. Hier gibt es keinen überflüssigen HTML- und CSS-Code. Das wirkt sich natürlich auf die Ladegeschwindigkeit und Performance der Website aus. Sie sind in der Regel rasend schnell. Ein weiteres Qualitätsmerkmal einer Kundenwebsite.
Jetzt kommt das Aber: Solche Seiten zu coden ist ein enormer Zeitaufwand und entsprechend teurer als Websites, die mit Pagebuildern erstellt wurden. Es ist auch die Frage, ob solche Websites für Kunden selbst leicht zu pflegen sind. Es sei denn, es wird direkt ein komplettes Theme für z.B. WordPress erstellt. Ein zusätzlicher Kostenfaktor für Kunden.


Pagebuilder können die Arbeit erleichtern
Klingt doch fantastisch, oder? Jein! Der Vorteil liegt auf der Hand. Seiten lassen sich enorm schnell zusammenstellen, man muss nichts programmieren. Wählt man eine fertige Vorlage, geht´s nochmal so schnell. Aber: Bei Letzterem ist die Gefahr groß, dass andere auch diese Vorlage nehmen, sodass die Seiten sich natürlich ähneln. Es gibt kein Alleinstellungsmerkmal der Website.
Außerdem bläht sich bei Pagebuildern der HTML- und CSS-Code enorm auf, weil alle Einstellungsmöglichkeiten berücksichtigt werden – ob sie nun gebraucht werden oder nicht. Von den vielen Javascripts ganz zu schweigen. Die Performance der Website ist entsprechend langsam. Es muss Zeit investiert werden für die Optimierung. Außerdem lässt sich bei Pagebuildern nicht immer alles nach eigenen Wünschen einstellen. Dann muss trotzdem auf CSS zurückgegriffen werden.
Pagebuilder ist nicht gleich Pagebuilder. Es gibt kostenlose, die dann aber auch entsprechend wenige Möglichkeiten der Gestaltung bieten. Diese sollten Sie nur dann nehmen, wenn es sich um eine private Website handelt. Gute Pagebuilder kosten Geld und werden in verschiedenen Preiskategorien angeboten. Da ist für jeden Geldbeutel etwas Passendes dabei.
Greyd, Avada, DIVI und Co.
Angefangen habe ich vor vielen Jahren mit reinen HTML- und CSS-Seiten. WordPress steckte noch in den Kinderschuhen. Und den Begriff Responsive Webdesign gab es noch gar nicht – also dass sich Webseiten optisch automatisch an die jeweilige Plattform Desktop, Tablet oder Smartphone anpassen. Die meisten Websites wurden nur für den großen Bildschirm entwickelt.
Wieso fühle ich mich gerade so alt?
Nun, für mich persönlich war es ein Entwicklungsprozess hin zu Pagebuildern. Es erleichtert meine Arbeit. Aber das handhabt jeder Webdesigner anders. Wie heißt es so schön? Viele Wege führen nach Rom – solange der Kunde dabei nicht unter die Räder gerät.


Was sollte ein Webdesigner noch auf dem Bildschirm haben?
Die rechtlichen Texte für Kunden erstellen gehört eindeutig nicht zu seinen Pflichten. Schon allein aus rechtlichen Gründen. Sollte ein Kunde eine Abmahnung wegen fehlender Hinweise z.B. im Impressum oder in der Datenschutzerklärung erhalten, kann dieser den Webdesigner in Regress nehmen.
Daher liefert der Kunde die rechtlichen Texte selbst. Entweder über einen entsprechenden Generator im Internet wie eRecht24 oder – noch besser – individuell erstellt über einen Fachanwalt oder Datenschutzbeauftragten. Ich biete meinen Kunden an, dass sich ein Kooperationspartner von mir um die rechtliche Absicherung der Website kümmert. Für den Kunden heißt es, diesen Betrag ins Budget einzukalkulieren. Aber besser so, als irgendwann eine teure Abmahnung zu erhalten.
Aber auch Kunden-, Wartungs- und Kooperationsverträge, Angebote und Rechnungen richtig schreiben gehört mittlerweile zum Arbeitsalltag eines Webdesigners. Auch solche Schriftstücke gehören zur professionellen Außendarstellung, dienen aber auch als „kostenlose“ Werbung, wenn sie entsprechend gestaltet sind.
Ein Netzwerk an Kooperationspartnern
Wie würde Professor Bernhard Grzimek jetzt sagen?
„Heute erhielten Sie einen großartigen Einblick in das Leben des possierlichen Webdesigners. Auf Wiedersehen, meine lieben Freunde, und bis zum nächsten Mal.“
